Sant Vicenç de Castellet ist eine kleine katalanische Stadt mit rund 10.000 Einwohnern, etwa eine Stunde nordwestlich von Barcelona gelegen. Meine Woche mit dem dortigen Musiklehrerteam – insbesondere mit meinem direkten Partner Alexis Cabrillana Martín – war eine äußerst bereichernde und vielseitige Erfahrung. Sich mit einem gänzlich anderen Schul- und Bildungssystem auseinanderzusetzen, neue Gebräuche und Umgangsformen kennenzulernen sowie eine fremde Sprache und Kultur zu erleben, ist immer faszinierend. Im besten Fall – so wie in meinem – wird man dabei so herzlich und gut betreut, dass man die Erfahrung rundum genießen kann.
Die passive Teilnahme an Unterrichtsstunden, die teilweise im Team und teilweise projektorientiert in Kleingruppen stattfinden, ermöglicht einen aufschlussreichen Einblick. Ebenso unerlässlich sind begleitende Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen sowie der Schulleitung, um Strukturen besser verstehen und einordnen zu können. Der integrative Ansatz des spanischen Schulsystems, alle Schüler bis zum Alter von 16 Jahren gemeinsam zu unterrichten, wird auch innerhalb des Kollegiums kritisch diskutiert. Er bringt jedoch den Vorteil mit sich, dass Lehrkräfte deutlich mehr integrative Projektarbeit leisten (müssen). Auch pädagogische Sitzungen, etwa im Klassenteam, sind fest im Stundenplan jeder Lehrkraft als Teil des regulären Arbeitspensums verankert. Gleichzeitig entsteht bei vielen Lehrkräften Unzufriedenheit, da sie das Gefühl haben, weder besonders förderbedürftige noch besonders begabte Schülerinnen und Schüler ihrem Potenzial entsprechend unterstützen zu können.
Besonders positiv überrascht hat mich die zwischenmenschliche Atmosphäre und der Umgangston an dieser großen Gesamtschule in einem Ort, den viele als „Schlafstadt“ für Barcelona-Pendler beschreiben. Vielleicht hat dazu auch beigetragen, dass dort alle – inklusive der Schulleitung – mit Vornamen angesprochen werden, oder die große Beliebtheit der Musiklehrkräfte, die ich begleiten durfte. Doch insgesamt war es das freundliche, offene Kollegium, das engagierte Schulpersonal und die höflichen, respektvollen Schüler, die mir – trotz Sprachbarriere – den Eindruck vermittelten, dass ein gepflegtes Miteinander viele strukturelle und politische Herausforderungen im Schulalltag leichter tragbar macht.
Stefanie Caselli, StRin
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