Wie werden Interessen zu einer “Rahmenrichtlinie”? Schülerinnen und Schüler des GymSOB erleben den politischen Prozess in einem Planspiel

Schüler wandeln durch die Gänge, der Blick jeweils auf ein Tablet fixiert, konzentrierte Arbeit. Worum geht es? Die Schülerinnen und Schüler befinden sich mitten in einem Gesetzgebungsverfahren, es geht um die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Eine Gruppe aus drei Mitarbeitern der EU-Kommission eilt vorbei, in einem Raum tagt Land F zum Thema, während sich gegenüber die Journalistinnen und Journalisten eines Medienunternehmens den Kopf darüber zerbrechen, welches Land im Moment welche Haltung zur geplanten EU-Rahmenrichtline hat. Die eigene Position und die eigenen Interessen auszuhandeln und schließlich nach Möglichkeit in den Gesetzgebungsprozess einfließen zu lassen, ist vor allem Aufgabe der Parteien, die sich in einem anderen Raum aufhalten. Partei Orange zum Beispiel versteht recht flott, dass es bei der Durchsetzung des eigenen Interesses in einer Demokratie auch darum gehen muss, Koalitionen zu bilden und gegebenenfalls auch Kompromisse einzugehen.

Einen Vormittag lang beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler aus der Q11 sowie aus der Klasse 10c mit der Komplexität der EU-Gesetzgebung. In einem datenbankbasierten Planspiel wurden ihnen Rollen, Aufgaben und der Ablauf der Verfahren aufgetragen. Das nennt man Planspiel. Ein Planspiel bezeichnet eine Methode zur Simulation komplexer realer soziotechnischer Systeme. Zu Deutsch: Ein Planspiel ist eine didaktische Großmethode, um konfliktreiche Situationen mit vielen Beteiligten nachzustellen. Das ist zugleich die große Stärke der Methode: Dadurch, dass die Schüler selbst zu Akteuren werden, lernen sie den politischen Prozess quasi im Vorbeigehen – spielerisch eben.
 Die Initiative zu diesem Planspiel hatte die Fachschaft Politik und Gesellschaft unter der Leitung von OStRin Simone Schleicher ergriffen. Sie hatte sich bei der Europäischen Akademie Bayern um die Durchführung dieses sich in Deutschland in der Pilotphase befindlichen Spiels beworben. Das Gymnasium Schrobenhausen erhielt nicht zuletzt wegen seiner hervorragenden technischen Ausstattung den Zuschlag, sodass unsere Schülerinnen und Schüler einen von der Bayerischen Staatsregierung finanzierten Durchlauf erleben konnten.

Spielerisches Eintauchen in die Rollen der Beteiligten: Staaten, Institutionen, Medienhäuser, Firmen, Lobbyisten, Gewerkschaften. Im Lauf des Vormittags prallen Interessen aufeinander, Koalitionen müssen gebildet, die EU-Kommission muss gebrieft werden, schließlich hat sie die Gesetzesinitiative. Es wuselt in den Gängen des Gymnasiums, ernst und mit gravitätischer Würde schreitet die EU-Kommission zur Besprechungsrunde, während bei den Medienhäusern Zweifel entstehen, ob sich nicht auch Fake-News unter den Informationen, die ihnen zugespielt werden, befinden.

Pluralismus gespielt und gelebt: Dass der Gesetzgebungsprozess menschengemacht ist, dass handfeste Interessen dahinterstehen und konsequent durchgesetzt werden, wissen die Schülerinnen und Schüler am Ende. Das haben sie am eigenen Leib erfahren. Dass eine pluralistische Demokratie von der Konkurrenz der unterschiedlichen Interessen und schließlich vom Kompromiss lebt, formulieren sie in der abschließenden Pressekonferenz aller Gruppen deutlich und selbst: „Damit lässt sich leben und arbeiten”, sagt eine Sprecherin, „dass ein Kompromiss herauskommen würde, war uns klar”, meint der Vertreter einer Partei. „Das Gemeinwohl stand am Ende halt im Zentrum”, begründet ein Sprecher den letztlich gefundenen Kompromiss. Schließlich wird die Rahmenrichtline zur Arbeitnehmerfreizügigkeit mit einer deutlichen Mehrheit im Rat und EU-Parlament angenommen.

Am Ende nehmen die Schülerinnen und Schüler ihren Rollen- und Namensaufkleber ab und gehen als sie selbst nach Hause. Sie machen einen zufriedenen Eindruck.